Der Kungsleden zählt zu den beliebtesten Wanderwegen in Skandinavien. - Und das zu recht! Er führt durch das weite skandinavische Fjäll und bietet immer wieder herrliche Panorama-Aussichten. Insbesondere der nördliche Teil des Kungsledens, zwischen Abisko und Nikkaluokta (oder alternativ Vakkotavare), ist gut erschlossen und daher auch für Wandereinsteiger zu empfehlen.
Während im Sommer unzählige Moskitos den Wanderern lästig werden können, lockt der Kungsleden im September mit einem wunderbaren Farbspiel. Sobald der erste Nachtfrost einsetzt, verfärben sich Sträucher, Moose und Flechten zu einer spektakulären Farbpracht. Für Malin war dieser Abschnitt des Kungsledens 2012 die erste längere Wanderung durch Lappland. Ihren Tourenbericht könnt ihr weiter unten lesen. Damals hat sie mit diesem Bericht den 1. Platz bei einem Reisegewinnspiel gewonnen: eine 12 tägige Paddeltour in Schweden :-)
Wir sind einige Jahre später noch einmal im Winter auf den nördlichen Kungsleden zurückgekehrt, mehr dazu hier.
Länge: | 6 - 7 Tage |
Beste Reisezeit: |
Juli - September (Trekking) Ende Februar - Anfang April (Wintertouren) |
Übernachtung: | Hütten und/oder Zelt |
An-/Abreise: |
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2.200 km auf Schwedens schönen, ruhigen Landstraßen liegen hinter uns, 2 Nächte auf wunderbaren, einsamen Campingplätzen mit Seeblick, 3 Tage spätsommerlicher Sonnenschein und nun sitzen wir
frierend in langer Unterwäsche auf einer harten Holzbank in einer Hütte, 15 km von Abisko entfernt, auf dem Weg ins Fjäll. Wir, Annkatrin, Henning und Malin, haben uns vorgenommen ein Stück des
Kungsledens zu laufen. Etwas über 100 km, von Abisko bis zu Schwedens höchstem Berg, dem Kebnekaisen.
Doch schon jetzt, auf diesen ersten 15 km, hat sich das Sommerwetter in eisige 1 Grad lappländischen September verwandelt, Dauerregen unsere Kleider durchweicht und Malins neue Wanderschuhe ihr
riesige Blasen verpasst. Eigentlich hatten wir vorgehabt zu zelten, aber als wir die trockene Hütte mit rauchendem Schornstein sahen, wurden wir schwach. Nun sitzen wir also hier auf dieser Bank,
eine bunte Reisegruppe lachender, gut gelaunter Schweizerinnen mit Tagesgepäck uns gegenüber und essen eine Tüte gefriergetrockneter Bohnen mit Kartoffelbrei. Der Wetterbericht, den Annkatrin von
einer Tafel in der Hütte abliest, ist entmutigend.
Am nächsten Morgen erwachen wir schon früh von den Packgeräuschen der Schweizerinnen. Für sie geht es heute wieder zurück in den Ort, für uns weiter hoch ins Fjäll. Wir ziehen unsere über Nacht getrocknete Kleidung an, hacken Holz, kämpfen uns durch das hohe, nasse Gras zum Plumpsklo und holen auf dem Rückweg Wasser vom Fluss für unser Frühstück, Milchpulver mit Müsli. Draußen nieselt es nur noch und wir reißen uns zusammen: ab morgen sind Minusgrade angesagt, das bedeutet Schnee. Schnee ist nicht so schlimm wie Regen. Also auf. Rucksack auf den Rücken, Stöcke in die Hand und weiter geht’s.
20 km sind für heute geplant, am Anfang geht es ziemlich steil bergan, aber wir müssen ja auch hoch ins Fjäll. Nach dem ersten längeren Anstieg machen wir eine Pause, setzen unsere Rucksäcke ab und schauen zurück auf die Baumwipfel und den Fluss, den wir anfangs einmal überqueren mussten. Der Regen schenkt uns auch eine kleine Pause, wir setzen unsere Kapuze ab und mit einem Mal sieht alles gar nicht mehr so schlimm aus. Die Luft ist klar und der Ausblick toll.
Nach der kleinen Pause wandern wir weiter und unsere Umgebung beginnt sich langsam zu verändern. Das Gras weicht festem Moos, harten Geröllblöcken und Flechten. Die Farben ändern sich von Grün und Grau zu Rot und Braun und obwohl der Regen wieder anfängt zu fallen, wird der Blick weiter und der Weg flacher. Kurz vor unserem Tagesziel müssen wir einen Fluss durchqueren, da die Sommerbrücke so spät im Jahr schon abgebaut ist und wir hangeln uns mit unseren Stöcken von Stein zu Stein. Bloß nicht fallen, schießt es uns allen durch den Kopf, heute wollen wir trocken ankommen. Wir schaffen es unbeschadet und nehmen die letzten 3 km in Angriff. Doch da spielt uns das Fjäll den nächsten Streich. Es fängt plötzlich an wie aus Eimern zu schütten und es regnet so stark, dass wir wirklich so nass sind, als wären wir in den Fluss gefallen.
Abseits des Pfades steht zum Glück eine kleine Schutzhütte, in die wir uns hinein drängen. Schnell ziehen wir unsere nasse Kleidung aus und hängen sie auf. Aus unseren Rucksäcken kramen wir trockene Socken, Unterwäsche und Shirts und warten auf Besserung. Da geht die Tür auf und 4 Belgier kommen rein und wiederholen das Prozetere. Nun wird es sogar etwas warm in der Hütte, denn 7 Leute sind eigentlich viel zu viele für einen Raum mit 2 Bänken. Die Belgier lassen Schokolade rumgehen und wir tauschen uns über die Strecke aus. Wie es scheint haben wir uns irgendwo bei der Streckeneinteilung verguckt und wir haben noch 8 und nicht 3km vor uns. Also brechen wir alle eine halbe Stunde später trotz anhaltendem Regen wieder auf, um nicht im Dunkeln auf der Strecke campieren zu müssen. Das Wetter ist momentan einfach zu nass und wir wollen noch einen Platz in der begehrten Hütte bekommen. Obwohl wir dasselbe Ziel haben, treffen wir die 4 erst am Ende unserer Reise wieder, denn das ist das Schöne am Wandern im Norden: man hat seine Ruhe und drängelt sich nicht dicht an dicht wie auf den Alpenwanderwegen.
Am nächsten Morgen erwachen wir zu strahlendem Sonnenschein und ein märchenhafter Regenbogen spannt sich über den Fluss, der unter uns liegt. Er umrahmt genau die Hängebrücke über die wir gehen müssen. Auch die Landschaft hat sich wieder verändert. Aus dem Rot und Braun sind leuchtendes Gelb, Rot, Orange und sattes Grün geworden. Es ist, als ob Lappland uns sagen möchte: Brav, ihr Stadtmenschen. Ihr habt das Herz des Fjälls erreicht und euch durch den Regen gekämpft ohne aufzugeben. Nun zeigen wir euch, wie das Fjäll wirklich aussieht.
Wir wandern sofort los und außer einem starken Wind bleibt uns das Wetter den ganzen Tag wohlgesonnen. Wir können sogar hinter einem kleinen Hügel pausieren und unser Mittagessen, Müsliriegel, genießen. Dabei sehen wir auch die ersten Rentiere. Für die Saami beginnt nun der Rentierabtrieb und am nächsten Tag haben wir sogar das Glück, einen Abtrieb selbst mitzuerleben. Nun aber grast eine Herde Rentiere mit Jungtieren nahe unseres Rastplatzes und lässt sich auch nicht weiter stören, als wir näher heranschleichen um ein paar Fotos machen.
Gut gelaunt erreichen wir am Ende des Tages immer noch trocken und voller Tatendrang unser nächstes Ziel. Das Wetter ist so schön, dass wir unser Zelt aufbauen und draußen schlafen, auch wenn es ohne Sonne und Bewegung eisig kalt ist. Schnell schlagen wir unser kleines, grünes Spitzdachzelt auf, rollen unsere Isomatten aus und setzen uns in unsere Schlafsäcke. Während Henning Wasser vom Fluss holt, bauen wir den Jetboil auf, um eine Tüte gefriergetrocknetes Chana Masala zu kochen.
Anschließend kriechen wir tief in unsere Schlafsäcke, lesen uns noch 10 Minuten bei Kerzenschein gegenseitig vor und schlafen dann geschafft und zufrieden, endlich draußen zu schlafen, ein.
Am nächsten Tag weckt uns etwas Nasses: über Nacht hat sich eine dünne Eisschicht über uns gelegt und die Morgensonne hat sie zum Schmelzen gebracht. Wir sind froh mit Mützen geschlafen zu haben und das Verlassen der warmen Schlafsäcke kostet uns doch etwas Überwindung. Hat in den letzten Nächten in der Hütte immer ein Feuer gebrannt, müssen wir nun in die eiskalte Luft zum Anziehen gehen. Wir machen uns fertig, schnüren unsere Rucksäcke gut zu und machen uns auf den Weg.
Heute werden wir den höchsten Punkt unserer Wanderung erreichen und ihn überqueren. Auf der Spitze dieses Passes steht eine kleine Nothütte, dort wollen wir frühstücken. Das Wetter spielt auch heute trotz des nächtlichen Schneefalls wieder mit und die Passüberquerung ist anstrengend, geht aber schnell, viel schneller als geplant. Wir sind innerhalb von 2 Stunden an der Hütte und frühstücken. Wir sind uns ziemlich sicher die Karte falsch gelesen zu haben und das der fiese Teil des Passes noch kommt. Bestimmt. Also verplempern wir nicht mehr Zeit als nötig und wappnen uns innerlich für den anstrengendsten Teil der Wanderung – und er kommt nicht. Stattdessen geht es in angenehmen Kurven runter ins Tal.
Um uns herum ragen nun gewaltige, wie mit Zuckerguss begossene, Berge auf und unser Pfad wird breit und moosig. Wir schaffen die angepeilte Strecke viel schneller als gedacht und beschließen noch weiter zu wandern, doch Malins Blasen machen Probleme. Die Fersen sind blutig und wund, die Blasenpflaster aufgebraucht. Sie braucht dringend neue. Also halten wir doch an der nächsten bemannten Hütte, die wir schon nachmittags erreichen und haben Glück. Es gibt Tape und Pflaster. Viel besser! Und dann erzählt uns der Hüttenwart, dass es hier eine Sauna gibt, also beschließen wir uns mal wieder zu waschen. Als wir die Sauna verlassen ist es dunkel und über der Hütte bilden sich weiße, leicht grünliche Schlieren: Polarlicht! Und darunter Rentiere am Fluss.
Dann passiert das Unglaubliche. Nachdem wir den ganzen nächsten Tag bei schönem Wetter ruhig gewandert sind, sitzen wir vor unserem Zelt in einem Tal am Fluss. Es ist noch früher Abend, denn unsere Rucksäcke sind mittlerweile leichter und wir schaffen die Strecken nun schneller. Da hören wir ein lautes Brummen und ein noch lauteres Dröhnen. Über unserem kleinen Zelt kreist ein Hubschrauber, ein Motorrad rauscht über einen der Hügel und plötzlich rennt eine Rentierherde los. Wir haben seit der letzten Hütte niemanden mehr gesehen, doch nun werden wir Zeugen eines modernen Rentierabtriebs. Der Motorradfahrer ist eine Saami, der die Tiere eintreibt. Der Hubschrauber treibt verlorengegangene Tiere zurück zur Herde. Bestimmt 20 Minuten lang können wir das Spektakel beobachten und klettern anschließend noch auf einen Berg, um dem Abtrieb hinterher schauen zu können.
Und dann ist es auch schon so weit: die letzte volle Tagesetappe der Wanderung steht an. Wir werden bis zum Kebnekaisen laufen und von da aus noch eine kleines Stück weiter, eine Nacht zelten und
am nächsten Morgen die letzten 2 Stunde Strecke bis Nikkaluokta hinter uns bringen, von wo aus uns ein Bus zurück nach Abisko und von da aus ein Zug nach Kiruna fahren wird, wo unser Auto
steht.
Der Weg zum Kebnekaisen führt überwiegend bergab. In der Ferne sieht man Schwedens höchsten Berg aufragen und langsam wird die Umgebung wieder vertrauter und es zeigen sich erste Sträucher. Es
gibt auch wieder Brücken statt Watstellen. Irgendwann können wir auch schon Menschen ausmachen. Kletterer, die versuchen auf den Kebnekaisen zu steigen. Am Kebnekaisen angelangt treffen wir auf
eine große, moderne Fjällstation. Sie hat etwas von einem Hotel und es gibt einen Laden, wo man einkaufen und Touren auf den Berg buchen kann. Wir betreten die Fjällstation, benutzen endlich
wieder richtige Toiletten, waschen unsere Gesichter und bestellen uns Kuchen und heiße Schokolade. Von unserem Tisch aus können wir über das Fjäll und auf den Kebnekaisen schauen. Nur noch 20 km
Waldweg liegen noch vor uns. 13 km heute, 7 km morgen. Wir lösen uns von dem Luxus und wandern weiter. Man merkt, dass man nun wieder im Tal ist, denn es ist wärmer, wir können im Pullover
wandern und es kommen uns immer mal ein paar Leute entgegen. Ausflügler, Trailrunner und Kletterer. Abends wird es dann nochmal schwierig. Wir haben uns mittlerweile so weit vom Fluss entfernt,
dass es keine Wasserarme mehr gibt und wir haben nur noch einen Liter Wasser mit uns. Wir laufen fast die gesamten 20 km Strecke und finden einfach kein Wasser. Es ist schon dunkel, so wasserlos
zu sein ist kein gutes Gefühl und es ist trotzdem allen klar: wir müssen nun wirklich unser Zelt aufschlagen, auch ohne Wasser. Wir suchen uns einen geeigneten Platz, teilen uns das Wasser gut
ein für unser Abendbrot, putzen nicht die Zähne und lassen nur einen kleinen Rest zum Trinken für morgens über. Nachts ist es saukalt, wir sind geschafft und hungrig. Der Tag hat so gut begonnen
und so erschöpfend geendet.
Doch auch diese Nacht geht vorbei und am nächsten Morgen schaffen wir es innerhalb einer Stunde ins Dorf, lange bevor der Bus kommt. In dem einzigen Restaurant, ein tolles Gebäude in Form eines saamischen Zeltes, schlagen wir uns den Bauch voll, putzen die Zähne und trinken den besten Kaffee aller Zeiten.
Kungsleden, 2012.
Malin