"Of all the paths you take in life, make sure a few of them are dirt."
–John Muir
Am 10. April 2017 sind wir auf unsere bisher längste Wanderung gestartet: Auf dem Pacific Crest Trail (PCT) von der mexikanisch-kalifornischen Grenze einmal längs durch die USA bis nach Kanada.
Auf seinen ca. 4.280 Kilometern und 120.000 Höhenmetern bietet der Fernwanderweg spektakuläre Aussichten und verläuft durch sehr abwechslungsreiches Gelände:
Zunächst durchquert er die heiße kalifornische Wüste, klettert dann über die schneebedeckten Berge der High Sierra, weiter durch das waldige Nordkalifornien, einmal längs durch die vulkanisch
geprägten Staaten Oregon und Washington, durch die schroffen North Cascades, und endet schließlich in Manning Park, im südlichen British Columbia, Kanada.
Wie die meisten großen Abenteuer, startete auch unser PCT Thruhike mit einigem organisatorischen Aufwand: u.a. musste ein 6 monatiges VISA für die USA, eine Einwander-Genehmigung für Kanada, eine Auslandskrankenversicherung, das PCT Thruhiker Permit und die Campfire Erlaubnis für Kalifornien her. Schließlich lösten wir noch unsere Wohnungen in Hamburg auf.
Neben all der Administration stellte sich uns natürlich auch die Frage, womit wir den wertvollen, begrenzten Platz in unseren Rucksäcken füllen. Aufgrund des wechselnden Klimas auf dem PCT, den große Mengen an Wasser, die in der Wüste getragen werden müssen, und generell einfach der Länge der Tour, haben wir einige Änderungen an unseren bewährten Skandinavien-Packlisten vorgenommen: Hier geht es zu unserer finalen PCT-Packliste.
Navigation:
Permits:
Endlich geht's los! Die Rucksäcke stehen voll bepackt im Flur und in 9 Stunden holt uns das Taxi zum Flughafen ab. Von Hamburg fliegen wir via München nach L.A. Dort wollen wir uns eine Nacht im Hotel vom Jetlag erholen und dann geht es mit dem Mietwagen weiter nach San Diego.
Die letzte Woche war nochmal vollgepackt mit Terminen und Erledigungen: Wohnung auflösen, Auto abmelden, schnell noch ein paar Last Minute Einkäufe zwischenschieben, alles irgendwie in den Rucksack stopfen, und Abschied nehmen von den lieben Freunden, Kollegen und der Familie. Aber nun ist alles geschafft - Tschüß Hamburg!
Nachdem wir eine Nacht in L.A. verbracht haben, um uns vom Jetlag zu erholen, sind wir entlang der Pazifikküste nach San Diego gefahren. Herrliches Wetter mit frischer Pazifikluft, lange Strände und Pancakes im Straßencafé, hach ja...
Hier in San Diego verbringen wir nun 4 Tage, um jede Menge Verpflegung für die nächsten Wochen zu organisieren. Riesige Supermärkte und es stellt sich einem nur die Frage - was ist kompakt verstaubar und hat die meisten Kalorien? Neben unserer Bouncebox und dem Essen für die erste Woche packen wir noch jeweils 3 große Verpflegungspakete, die wir vorausschicken und in den nächsten 2 Monaten dann entlang des Trails einsammeln werden. Außerdem besorgen wir einen Bärenkanister, in dem die Schneeausrüstung für die Sierra schonmal nach Kennedy Meadows verschickt wird. Das bedeutet mehr logistischen Aufwand als gedacht - macht aber auch Spaß.
Gestern sind wir in Warner Springs angekommen und die ersten 180 km Wüste liegen hinter uns. Wer sich wie wir nun eine weite, sandige Landschaft mit vereinzelten Kakteen vorstellt, liegt jedoch nicht ganz richtig: Die kalifornische Wüste ist wirklich überraschend abwechslungsreich! Die Täler sind voller exotischer Pflanzen, jeden Tag schlängelt sich der Trail mehrere hundert bis tausend Höhenmeter durch die Wüstenberge und man hat immer wieder atemberaubende Blicke in die Weite. Dabei ist es allerdings staubtrocken und der Dreck und Sand klebt nur so an uns. Da das Wasser knapp ist, lässt sich da nicht viel machen. Wir sind uns also nie so ganz sicher, ob wir schon super braun gebrannt sind, oder ob einfach mal wieder 'ne Dusche nötig wäre...
Tagsüber laufen wir in der Hitze die Berge hoch und nachts sinken die Temperaturen dann auf etwa 5 Grad. In den Nächten, in denen wir auf ca. 2.000 m Höhe unser Zelt aufgeschlagen, friert es sogar. Und dann sind da natürlich die Tiere... Bisher haben wir jeden Tag eine Klapperschlange getroffen, unzählige Echsen und einmal einen Miniskorpion. Hach, ist der aber niedlich klein!, dachten wir... Einen Tag später erwähnt ein anderer Hiker beiläufig, die Kleinsten seien am giftigsten. - Also gut, jetzt passen wir auf. Nachts hören wir öfters Kojoten in der Ferne heulen. Bei einer Mittagsrast am Berghang kamen wir außerdem in den äußerst seltenen Genuss, einen Mountain Lion im Tal beobachten zu dürfen. Durch den starken Gegenwind konnte er uns wohl nicht wittern.
Gestartet sind wir am 10. April am mexikanischen Grenzzaun, wo der Southern Terminus des PCTs liegt. Der erste Tag führte uns langsam hoch in die Berge. Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir unseren ersten Rastplatz, ein kleines niedergebranntes Fleckchen mit tollem Ausblick auf den zurückgelegten Weg. Sehr früh am nächsten Morgen ging es weiter. In der Mittagshitze lag unser erster langer Aufstieg vor uns, vom Hauser Creek aus in Serpentinen den exponierten Hang hoch. Abends erreichten wir dann den ersten offiziellen Campground am Lake Morena. An Annkatrins Geburtstag gönnten wir uns hier einen Pausentag und die anderen Thruhiker organisierten als Überraschung einen kleinen Geburtstagskuchen mit Kerzen, wow!
In den nächsten zwei Tagen ging es weiter durch die Wüste nach Mount Laguna, einem winzigen Ort in den Bergen. Die Nächte in der Wüste sind im Frühjahr noch eisig, die Tage dafür schon unglaublich heiß und immerzu atmet man den staubigen Wüstensand ein. In Mount Laguna erwartete uns die rustikale Pine House Taverne, in der wir bei Livemusik mit anderen Hikern leckere Burger genießen durften, hmm...
Doch schnell ging's weiter durch die Wildnis. Die nächsten 6 Tage wanderten wir durch die Weiten der Anza-Borrego-Desert. Durch die Regenfälle Anfang März hat die Wüste hier nach Jahren erstmals wieder geblüht und auch jetzt im April ist die sonst so öde Landschaft noch recht grün; Es gibt viele kleine Wildblumen und die Kakteen tragen vereinzelt große pinke Blüten. Wunderschön! Mittlerweile wird das Wasser jedoch schon wieder knapper und zwischenzeitlich mussten wir schlappe 6 Liter pro Person schleppen bis wir wieder einen Wassertank oder kleinen Bachlauf erreichten.
Inzwischen ist auch Annkatrins Fuß, den sie sechs Wochen vor Beginn der Wanderung verletzt hatte, wieder belastbarer und wir konnten uns auf ca. 26 km pro Tag steigern. Dafür werden unsere Füße vom Laufen in der Hitze richtig platt, wie Hobbitfüße. Oder schrumpfen unsere Schuhe? Morgen ist obendrein eine Hitzewelle vorhergesagt - dabei ist es bereits so warm... Aber erstmal entspannen wir noch ein paar Stunden hier im Community Center in Warner Springs.
Die letzte Etappe hatte es irgendwie in sich. Erstmal waren die Tagesstrecken besonders lang, was unter anderem den raren Wasserquellen geschuldet war, und dann sind die Temperaturen auch noch in die Höhe geschossen. Bei 42°C haben wir uns also die Berge nach Idyllwild hochgeschoben.
Am heißesten Tag sollte gegen Mittag eine kleine Quelle im "Lost Valley" auf uns warten. Als wir endlich am heiß ersehnten Ziel ankommen, entpuppt es sich als ein dreckiges kleines Becken in dem tote Insekten kreisen... Aber was soll's, wenn man Durst hat, schmeckt selbst das trübste Tümpelwasser wie beste Selters!
Der nächste Tag wird uns als der Tag der Klapperschlangen in Erinnerung bleiben. Bereits am Vormittag sehen wir unterschiedliche Schlangen am Wegrand. Als Malin sich an einem Abhang an einem kleinen Busch vorbei schiebt, saust plötzlich etwas auf sie zu und klappert minutenlang wie verrückt. - Beinahe wäre sie auf die gut getarnte, große Schlange getreten. Vor Schreck macht sie zwei Sprünge zurück, fällt rückwärts über einen Felsen und schürft sich die Haut auf...oje. Wir warten eine Weile, versuchen die aufgebrachte Schlange vom Trail zu scheuchen und trauen uns schließlich vorbei. Während wir uns im Schatten ausruhen, kommt Ben, ein anderer Thruhiker aus Israel, vorbei und berichtet, dass er kurz zuvor tatsächlich versehentlich auf eine Klapperschlange getreten sei. Die arme Schlange hat ihn in den Stiefel gebissen, aber zum Glück ist er so hoch gesprungen, dass sie sein Bein nicht erwischt hat. Von nun an ist sein Trailname "Snakedancer".
Am nächsten Morgen ist Annkatrins Fuß plötzlich wieder angeschwollen, die langen Aufstiegen in der Hitze haben doch ihre Spuren hinterlassen... Also Zähne zusammenbeißen und die restlichen 20 km bis zur Straße nach Idyllwild weiterhumpeln. Als wir in Idyllwild ankommen, erwartet uns ein idyllisches Bergdorf, was aussieht wie im Wilden Westen, mit einer bunten Mischung aus kleinen Ranches, Hippieläden und bunten Holzhäuschen. Hier werden wir es uns erstmal gutgehen lassen, den Fuß kühlen und unsere Gelenke entspannen.
Nachdem wir Idyllwild verlassen haben, führt der Trail stetig bergauf zum Mount San Jacinto, dem zweithöchsten Berg Südkaliforniens. In der ersten Nacht kommt ein starker Sturm auf und unser Zelt ist am Morgen voller Sand, der durch das feine Moskitonetz gefegt ist. Am zweiten Tag gelangen wir über mehrere Berge und steile Abhänge zur Fuller Ridge, einem langgezogenen Grat auf etwa 9000 feet Höhe. Viele Hiker sind mit Eisaxt und Steigeisen gerüstet, da auf der Nordseite noch immer Schnee liegt. Wir probieren es ohne, da unsere Schneeausrüstung bereits vorausgeschickt wurde, und das klappt zum Glück auch problemlos. Die Schneefelder sind größtenteils übereist und man sinkt nicht zu stark ein. Allerdings ist der Trail an einigen Stelle nicht mehr zu erkennen und wir brauchen unser GPS. Einmal geht es auch quer durch einen reißenden, an den Ufern vereisten Schmelzwasserfluss, brrr...
Nachdem die Fuller Ridge geschafft ist, geht es immer nur bergab. Meilenweit. Bis zum tiefsten Punkt auf ca. 1000 feet. Der Höhenunterschied macht sich auch bei den Temperaturen bemerkbar, an einem Tag noch Schnee und Sturm, am nächsten Tag Wüstenstaub und 35°C.
Um unsere Vorräte aufzufüllen, machen wir zusammen mit zwei anderen Thruhikern einen kurzen Abstecher nach Cabazon, ca. 5 Meilen vom Trail entfernt. Der kleine Wüstenort besteht hauptsächlich aus einem von Indianern betriebenen Casino. Und so kommt es, dass wir den Nachmittag über auf gelben Gummireifen durch den Pool des Casinos schwimmen und uns zu sechst ein Zimmer zum Duschen teilen.
Dann geht es weiter durch die Wüste. Die nächsten Tage sind unfassbar heiß, "unseasonably hot", wie selbst die Kalifornier beklagen. Wir stehen um 5 Uhr auf, laufen bis mittags, warten dann die größte Hitze ab und laufen anschließend bei noch immer ca. 40°C weiter bis es dunkel wird. Die Rucksäcke sind schwer von den vollen Wassersäcken und schon um 8 Uhr morgens ist man durchgeschwitzt wie in der Sauna... Bei einer Mittagsrast kommen wir an einem Fluss vorbei, der noch Wasser hat und schmeißen uns direkt mit den Klamotten hinein - herrlich!
Bevor wir unser nächstes Ziel, Big Bear, erreichen, geht es nochmal bis auf 8500 feet hoch. Von unserem Zeltplatz auf einem Plateu aus blicken wir weit in die Ferne, auf den zurückgelegten Weg. Schließlich gelangen wir an eine Jeep Road und trampen raus in den Bergort. Das Kartenmaterial der letzten 400 km wird entsorgt, Nachschub wartet im Post Office.
Als wir in Big Bear ankommen, warnen uns die Einheimischen, dass für die nächsten Tage ein Schneesturm angekündigt ist. Bei dem warmen Sonnenwetter scheint das zunächst eher unwahrscheinlich, aber das Wetter in den Bergen ist ja bekanntlich sehr unbeständig. Tatsächlich zieht noch am selben Abend ein Unwetter mit starken Winden auf und es wird plötzlich richtig eisig. Am nächsten Morgen ist alles weiß und der Schnee hält noch den Tag über an. Der kleine Bergort wirkt mit einem Mal richtig weihnachtlich, vor allem als auch noch kleine Feuertonnen auf den Gehwegen angezündet werden. Damit hätten wir im Mai in Südkalifornien definitiv nicht gerechnet. Als wir wieder aufbrechen, führt der Trail schnell bergab und die Temperaturen steigen wieder. Zurück ist das gewohnte Wüstenbild.
Schon seit 200 Meilen warnen uns immer wieder Amerikaner vor den Hot Pools am Deep Creek Fluss. Dort sollen so "strange naked hippies" rumhängen. Als wir entlang des PCTs zum Deep Creek Canyon kommen, erwartet uns ein paradiesischer Ort mit weißem Sandstrand, einem breiten Fluss und kleineren Becken mit heißen Quellen. Zwischen den Bäumen sind Hängematten und Tarps gespannt. Wir verbringen die Mittagspause in lustiger Gesellschaft, baden im Fluss und können die Warnung der Amis nicht so recht verstehen; Nun ja, ein paar Leute sind nackt, ein paar essen Pilze und ein paar Verrückte sind von der mexikanischen Grenze zu Fuß hierher gekommen... Aber alle sind super freundlich und genießen einfach diesen verzauberten Ort.
Weiter laufen wir entlang des Deep Creeks durch eine wunderbare Landschaft. Am Abend werden wir noch von einer kleinen Trailmagic überrascht. Nachdem wir die Canyonlandschaft schließlich verlassen haben und ins nächste Tal abgestiegen sind, steht dort die fröhliche Brenda mit einem Cross Bike mit gekühlter Soda beladen, welche sie an die durstigen Hiker verteilt.
Ein weiterer denkwürdiger Zwischenstopp ist der berühmte McDonalds an der Interstate 15 (der einzige McDonalds am gesamten PCT). Der PCT verläuft ca. eine halbe Meile an der Raststätte vorbei, sodass viele Hiker die Gelegenheit nutzen, den Nachmittag in der klimatisierten Hütte zu verbringen und sich die Bäuche mit Burgern vollzustopfen. Das lassen wir uns natürlich auch nicht entgehen - Essen kann man gar nicht genug. Mit dem Engländer neben uns können wir allerdings nicht mithalten. Er vertilgt tatsächlich 14 Burger plus 2 McFlurrys! Danach laufen wir wieder in die Berge hoch. Auch wenn sich die Burger im Bauch bei dem Anstieg bemerkbar machen. Obendrein müssen wir noch jeweils 5 Liter Wasser extra tragen, da mal wieder eine trockene Wüstenpassage vor uns liegt.
Die nächsten Tage geht es wieder steiler bergauf. Die Landschaft wird waldiger, je näher wir nach Wrightwood kommen. Von den Bergen aus haben wir eine fantastische Aussicht und sehen bereits den kleinen Ort aus der Ferne unter uns liegen. Noch eine kühle, windige Nacht auf 2750 m und am nächsten Morgen dann der Abstieg nach Wrightwood. Mittlerweile ist unser Hiker-Hunger so groß, dass wir direkt ins Diner stürmen (sonst war immer die Dusche die erste Station in den Orten). Wir bleiben für eine Nacht, waschen Wäsche und besorgen neue Verpflegung.
Hinter Wrightwood wartet Mount Baden Powell. Der 9400 feet hohe Berg ist nach dem Gründer der Boy Scouts benannt. In der Mittagshitze schlängeln wir uns den Pfad hoch. Je höher wir kommen, desto kühler wird es und schließlich passieren wir die ersten Schneefelder. Der PCT biegt kurz vor der Spitze auf einen Grat ab. Wir lassen unsere Rucksäcke an der Weggabelung stehen und klettern das letzte Stück durch tief hängende Wolken auf den Gipfel hoch. Was für eine Aussicht! Unser Timing ist genau richtig, nur 15 Minuten später zieht eine graue Nebelfront heran und die Sicht ist gleich Null. Wir haben noch 10 km vor uns. Es geht leicht bergab und dann nochmal über eine weitere Anhöhe. Müde von dem Aufstieg kämpfen wir uns durch den plötzlichen Sturm und kurz darauf auch noch Graupelschauer. Als das Zelt endlich aufgebaut ist, verschlingen wir noch schnell eine Tüte Trekkingessen am Lagerfeuer und kriechen anschließend mit allen Klamotten, die wir haben (da wir eigentlich auf Wüste eingestellt sind, ist das jedoch nicht so viel) in die Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen sind die Zelte unter einer Schneedecke begraben. Nach einigen Meilen stoßen wir auf einen Berghighway und folgen diesem für etwa 5 Meilen, da ein kleiner Abschnitt des PCTs gesperrt ist (zum Schutz einer bedrohten Froschart). Wir laufen am Straßenrand entlang durch dichten Nebel, die Berge sind hinter grauen Wolken verborgen und alles wirkt ganz surreal. Wir machen unsere Stirnlampen an, damit uns etwaige entgegenkommende Autos sehen können ...es sind ganze 2 Fahrzeuge in 2 Stunden.
Während der folgenden drei Tage bleiben wir in den Bergen und laufen immer wieder durch große Gebiete, die von Waldbränden gezeichnet sind. Nach Bränden breitet sich hier oft Poodle Dog Bush aus, eine giftige Pflanze, die richtig groß werden kann und die man auf keinen Fall berühren sollte. Zum Teil wuchert sie direkt auf dem schmalen Trail entlang der Berghänge oder versteckt sich in Gebüschen, durch die man durch muss. Der Trail ist hier erst seit wenigen Tagen wieder geöffnet. Wir schlängeln uns vorsichtig durch die Vegetation und wenn dann noch ein Windstoß aufkommt und die Poodle Dog Bush Triebe biegt, sind fortgeschrittene Limbo-Kenntnisse von Vorteil.
Während man anfangs noch viele Hiker getroffen hat, wird es mittlerweile merklich einsamer auf dem Trail. Wir passieren die 700 km Markierung. Es geht steil bergab und schnell wird es wieder heiß. Bei ca. 35°C erreichen wir die nächste Zwischenstation: den Campground in Acton.
Diese Etappe führt uns durch das heißeste Stück des PCTs. Entlang der Ausläufer der Mojave Desert geht es durch überwiegend sandige, hügelige Landschaft. Immer wieder blicken wir nach den Aufstiegen runter in die riesige, weite Mojave. Die flachen Ebenen der Wüste werden zur Solar- und Windenergiegewinnung genutzt. Die Wasserquellen liegen weit auseinander und wir müssen gut vorausplanen. Zum Glück gibt es auf dieser heißen Etappe aber auch viele Trailangel, die uns Hiker unglaublich liebenswert unterstützen.
Nachdem wir Acton verlassen haben, kommen wir zunächst nach "Hiker Heaven", dem Zuhause der Saufleys. In dem gut organisierten Camp im Garten dürfen Thruhiker sich ausruhen, die Dusche benutzen und die Helfer waschen sogar unsere dreckige Wäsche. - Was für ein Service! Es gibt Zelte mit Ladestationen für elektronische Geräte, eine Nähmaschine zur Reparatur kaputter Ausrüstung und einen Kühlschrank mit kalter Soda. Die Hiker dürfen alles umsonst nutzen; In der Garage steht ein kleiner rosa Keramiktopf für Spenden, in den jeder unauffällig einen für ihn/sie passenden Betrag wirft.
Am nächsten Morgen geht es wieder raus in die Wüste und innerhalb kürzester Zeit sind wir wieder dreckig und durchgeschwitzt, der Staub klebt nur so an den Beinen und kriecht in jede Ecke unserer Ausrüstung. Wir laufen nun immer sehr früh los und legen lange Mittagspausen ein, denn die Sonne brennt einfach erbarmungslos und es gibt kaum Schatten. Schon um 8 Uhr morgens steigt das Thermometer über 30°C. Der Trail schlängelt sich in vielen ausschweifenden Kurven die Berghänge hoch und wieder runter. Vor uns wuseln die Echsen durch den Sand. Außerdem lebt hier eine besondere Art der Klapperschlange, die Mojave Green Rattle Snake, die sehr aggressiv sein soll, also Augen auf!
Der nächste Anlaufpunkt ist die "Casa de Luna" in Green Valley. Hier leben Terry und Joe Anderson, die seit 18 Jahren PCT Hiker in ihrem bunten Zuhause willkommen heißen. Zur Begrüßung gibt es, dreckig wie wir sind, erstmal eine herzliche Umarmung von Terry. Dann wird jeder in ein Hawaii-Shirt gesteckt. Im Vorgarten der "Hippie Daycare" gibt es eine große Chillout Area mit Sofas und Hängematten. Hinter dem Haus erstreckt sich ein langes Waldstück, wo wir unsere Zelte aufstellen dürfen. Wir genießen die entspannte Atmosphäre, nutzen die frische Gartendusche und tauschen uns bei Gitarrenmusik mit den anderen Hikern aus. Wer mag, kann sich die Zeit damit vertreiben, einen Stein mit Acrylfarben zu bemalen und diesen im Wald als Erinnerung aufzustellen. Die vielen individuell bemalten Steine anderer Hiker schmücken bereits das Grundstück. Auf einem großen Bettlaken an der Hauswand sollen alle Hiker unterschreiben und die Andersons machen ein Gruppenfoto zur Erinnerung ...für lachende und verblüffte Gesichtsausdrücke sorgt die alte Terry, als sie uns kurzerhand ihren nackten Hintern präsentiert. Abends gibt es den berühmten Taco Salat der Andersons, zum Frühstück Pancakes und frischen Kaffee. Was für ein herrlicher Ort!
Morgens fährt uns Terry zurück zum Trail. Die Sonne brutzelt und wir stapfen weiter. Am nächsten Tag passieren wir auf einer Hügelkuppe den 500 Meilen (800 km) Marker, jetzt haben wir sozusagen Deutschland einmal durchquert.
Nach zwei weiteren Tagen erreichen wir gegen Mittag "Hiker Town". Mitten in der Wüste steht ein kleines Westerndorf, zusammengebaut aus alten Filmrequisiten und selbst gezimmerten Saloons. Die Hiker können sich einen Schlafplatz in einem der Gebäude suchen. Alles ist etwas schrottig und dreckig, ein absolut verrückter Ort. Wir rollen unsere Schlafsäcke in einer Scheune mit alten Sofas und Matratzen aus und schlafen ein paar Stündchen.
Um 3 Uhr morgens müssen wir weiterlaufen, denn an diesem Tag liegen 39 km über das L.A. Aquaduct vor uns. Unterwegs gibt es keine Campingmöglichkeit und wir passieren privates Land der etwas speziellen Desert People, das heißt, wir müssen die Strecke in einem Stück laufen. Um der größten Hitze zu entgehen, starten wir mit Stirnlampen gerüstet nachts. Uns begegnen in der Dunkelheit zwei Wildhunde, die aber friedlich wirken. Tags darauf erfahren wir von einem Hiker, der mit seiner Hündin Cora unterwegs ist, dass die Wildhunde ihn angegriffen haben - zum Glück ist er mit einem eher harmlosen Biss ins Bein davon gekommen. Gegen 5 Uhr werden wir mit einem farbenprächtigen Sonnenaufgang belohnt. Die Kakteen heben sich schwarz vor der Morgenröte ab, kurz darauf färbt sich die Landschaft orange und rosa und dann ist auch schon die gewohnte Wüstensonne über den Horizont gestiegen. Der Trail zieht sich schier endlos durch die weite Mojave Wüste. Nachdem das flache Aquaduct endlich geschafft ist, durchqueren wir eine riesige Windfarm. Gegen Abend steht noch ein Aufstieg an. Schließlich erreichen wir mit schmerzenden Füßen einen schönen Platz zum Zelten an einem Bach in einem geschützten Canyon. Wir kochen uns Trekkingessen und fallen todmüde ins Zelt.
Am nächsten Tag stehen noch knappe 27 km an, bevor wir Tehachapi erreichen. Morgens laufen wir erstmal lange Zeit steil bergauf über eine Bergkette. Am höchsten Punkt überrascht uns ein älteres Pärchen, die mit ihrem Jeep hier hochgefahren sind. Sie haben einen Pausenplatz an einem 400 Jahre alten Baum eingerichtet und verteilen Wasser, Orangen und Kekse an die Hiker. Die beiden wohnen sehr einsam hier draußen in der Wüste und erzählen uns, dass sie sich freuen, die Hiker aus aller Welt zu treffen. Danach geht es noch einmal durch eine weitere Windfarm mit unzähligen Windkraftanlagen und zuletzt einige Meilen bergab an den Highway.
Nach insgesamt knapp über 900 km auf dem PCT erreichen wir Tehachapi, unseren nächsten Resupply Punkt. Next Stop: Kennedy Meadows, das Ende der Wüste und der Beginn der Sierra...
Von Tehachapi aus laufen wir die letzte große Etappe durch die Wüste. Mittlerweile, Anfang Juni, sind die Temperaturen tagsüber wirklich brutal heiß und wir stehen in aller Frühe vor Sonnenaufgang auf, versuchen ordentlich Meilen zu machen und legen dann von 11-16 Uhr eine lange Siesta im Schatten ein. Anschließend laufen wir bis in die Dunkelheit hinein weiter. Die Wasserquellen liegen weit auseinander und manchmal müssen wir mehrere Meilen vom Trail abweichen, um unsere Vorräte auffüllen zu können. An den seltenen Watercachés sammeln sich die Hiker wie durstige Tiere an den Wasserlöchern der Savanne. Immer geht es rauf und runter, selten verläuft der Trail auf einer Höhe. Von den Bergen aus können wir erste Blicke auf die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada werfen. Langsam scheint das Ende der Wüste tatsächlich nicht mehr so fern...
Vom Walker Pass aus machen wir noch einen Abstecher nach Lake Isabella, einem kleinen Ort ca. 35 Meilen vom Trail entfernt, um neue Verpflegung zu besorgen und ein wenig auf dem dortigen Campground am Pool zu relaxen. Außerdem zeigt die Ausrüstung schon einige Schwächen und so müssen durchgelaufene Trailrunner genäht, Zeltstangen geklebt und zerfallende Socken ersetzt werden.
Danach geht es über drei Bergketten hinweg weiter Richtung Kennedy Meadows. Die Vegetation verändert sich langsam. In den höheren Gegenden laufen wir durch lichte Nadelwälder mit sandigem Boden, in denen auch die ersten Bären gesichtet werden. Abends müssen wir unsere Essenssäcke hoch in die Bäume hängen. - Gar nicht immer so leicht einen guten Platz dafür zu finden. Flatfoot aus New Orleans, mit dem wir seit einigen Tagen zusammen laufen, zeigt uns die bewährt "Wrap-around-your-butt" Methode, bei der man sich das Ende der Reepschnur wie einen Flaschenzug ums Hinterteil wickelt, um die schweren Essenssäcke einfacher an den Ästen hochziehen zu können. Funktioniert recht gut und sieht amüsant aus!
Am letzten Tag geht es erstmal steil bergab, dann verläuft der Trail sehr flach durch langgezogene Täler. Schließlich erreichen wir die kleine Straße, die zum General Store von Kennedy Meadows führt. Ein Pick-Up nimmt uns die letzte Meile vom Trail aus zum Zeltplatz auf der Ladefläche mit. "Hey, I bring new hikers!" schreit er als wir das Blockhaus, in dem der General Store untergebracht ist, erreichen. Von der Veranda aus werden wir mit lauten Rufen und Klatschen von den Hikern und Einheimischen begrüßt. Geschafft: Tschüß Wüste!
Kennedy Meadows ist der letzte Versorgungspunkt vor der High Sierra. Hier tauschen wir unsere Wüstenausrüstung gegen das Schneeequipment. Wir haben unter anderem unsere Bärenkanister, Spikes, Schneeteller für die Trekkingstöcke und warme Klamotten hierher geschickt. Alle Hiker sind am umpacken, planen und organisieren. Groß ist der Ort nicht; hinter dem General Store, der auch die Pakete für die Hiker annimmt, liegt ein Waldstück, in dem man umsonst zelten darf. Es gibt einen Wassertank mit angeschlossener Outdoordusche (die gerade außer Betrieb ist), eine Feuerstelle und einen Stromgenerator am Store. Handyempfang gibt es nicht. In 3 Meilen Entfernungen befindet sich außerdem noch das "Grumpy Bear" Diner. Ein Pick-Up Shuttle holt uns Hiker am nächsten Morgen zum Frühstück ab. Neben Eiern und Bacon bekommen wir die riesigsten Pancakes serviert, die ich je gesehen habe. Dick und golden gebacken hängen sie über den Tellerrand. Eigentlich gibt es ein All-you-can-eat Angebot, aber selbst ein einziger Pancake ist trotz Hikerhunger nicht zu schaffen!
Gesprächsthema Nummer 1 im Camp ist die aktuelle Schneesituation in den Bergen. Dieses Jahr ist so ungewöhnlich viel Schnee gefallen, dass viele Bergmassive noch meterweise unter Schnee begraben sind. Obendrein sorgt die späte Schmelze dafür, dass die Flüsse so tief und reißend sind, dass das Durchwaten (oder gar Schwimmen) sehr gefährlich ist. Daher herrscht auch etwas Abschiedsstimmung. Viele Hiker, die wir in den letzten Wochen getroffen haben, beenden ihre Tour hier aufgrund des Schnees. Andere wollen abwarten oder die Sierra komplett auslassen. Nur wenige gehen weiter. Wir entscheiden, das erste Stück bis nach Lone Pine zu laufen. Von dort wollen wir dann jedoch flipfloppen: d.h. nach Ashland hochfahren und in südliche Richtung zurück nach Lone Pine laufen. Bis wir in einigen Wochen wieder hier ankommen ist hoffentlich der meiste Schnee geschmolzen und der Trail offen. Soweit zumindest der Plan...
Nach einem Abschiedsfrühstück setzen wir die nun sehr schwer bepackten Rucksäcke auf und beginnen den Aufstieg in die Sierra. Wow, was für ein Bild! Schnell gewinnen wir an Höhe und bestaunen die vor uns liegenden Pässe und das viele Grün. Überall sind Flüsse und Quellen mit frischem Wasser - nach 2 Monaten in der trockenen Wüste können wir uns gar nicht genug darüber freuen. Die Zeiten mit bis zu 6 Litern Wasser im Gepäck sind vorbei!
Ab 3000 m Höhe treffen wir auf die ersten größeren Schneefelder. Der Trail ist zum Teil recht steil und wir schieben uns die Hänge Schritt für Schritt hoch. Die grandiosen Ausblicke von den Pässen machen jedoch jede Anstrengung wieder wett. Nachts wird es richtig kalt und friert. Wir schlafen in unseren Daunenjacken und kriechen schon früh in die Schlafsäcke.
Bei einer Rast an einem kleinen Bach werden wir von einer Truppe Murmeltiere, die sich auf den Felsen sonnen, beim Wasserfiltern beobachtet.
Nachdem wir unseren bisher höchsten Pass überquert haben, nehmen wir den Abzweig nach Lone Pine. Wir hoffen, von einem Wildniscampground aus eine Mitfahrgelegenheit runter in den Ort zu bekommen. Allerdings ist der Platz total verlassen als wir dort ankommen. Wir beschließen nach einer Weile die Straße runterzulaufen...es sind ja nur schlappe 35 km. Nach anderthalb Stunden kommt tatsächlich ein Auto vorbei. Der nette Fahrer ist ein ehemaliger PCT Hiker und stoppt für uns. Juhu! Wir quetschen uns zu fünft mit unseren Rucksäcken auf dem Schoss in seinen Kleinwagen und fahren noch 40 Minuten die steilen Serpentinen über 2000 m hinunter nach Lone Pine. Wie immer an unseren "town days" stürmen wir als erstes ausgehungert die nächste Essensbude - Berge besteigen macht wirklich sehr, sehr hungrig!