Für unsere diesjährige Skitour haben wir uns das wunderschöne Jämtlandsfjäll, etwa zwei Autostunden westlich von Östersund, ausgesucht. Das Hüttennetz ist in dieser Gegend wirklich sehr gut. Sowohl auf schwedischer als auch norwegischer Seite. Das hat den Vorteil, dass die Etappen je nach Wetterlage und Zeitfenster flexibel gestaltet werden können, da es viele Querverbindungen zwischen den Hütten gibt. Für die DNT-Hütten auf norwegischer Seite benötigt man früh in der Saison den DNT-Hüttenschlüssel.
Die berühmteste und daher auch meist begangene Tour im Jämtland ist sicherlich das Jämtlandstriangeln; Diese 3-Tages-Tour verläuft zwischen den STF-Fjällstationen Storulvån, Sylarna und Blåhammaren. Alle drei sind große Fjällstationen, in denen es sogar Restaurants, Strom und fließend Wasser gibt. Von Sylarna aus kann man auch mit Tourenskiern auf die umliegenden Gipfel stapfen. Wem kleinere, rustikale Hütten lieber sind, der findet in den Gebieten weiter östlich und westlich ebenfalls viele schöne Strecken. Wir hatten vor Beginn der Tour die Befürchtung, dass das Gebiet vielleicht zu überlaufen sei, doch waren erstaunt, wie wenige Leute hier Mitte März tatsächlich unterwegs waren.
Kürzere Alternative:
* Die DNT-Hütte Gåsen ist ab 2024 geschlossen, übergangsweise ist noch ein kleiner Notfallraum zugänglich.
Länge: | flexibel 4 - 7 Tage (plus 1 Reservetag) |
Beste Reisezeit: | Wintertouren: Ende Februar - April |
Übernachtung: |
Hütten (STF, DNT) |
An-/Abreise: |
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Infos:
Wir brechen nach einem ausgiebigen Frühstück mit Blick auf die Berge gegen 8:30 Uhr in Storulvån auf. Es sind nur knapp unter 0 Grad, der Himmel ist wolkenverhangen und helles, diffuses Licht lässt uns die Augen zusammenkneifen. Der Schnee ist jedoch schön fest und unsere frisch gewachsten Skier gleiten fröhlich vor sich hin. Vor uns liegt eine 20 km Tagesetappe nach Gåsen. Unsere Rucksäcke sind verhältnismäßig leicht, denn neben Daunenschlafsack und Biwak haben wir nur für 4 Tage Verpflegung und Wechselkleidung dabei. Unsere diesjährige Skitour durchs Jämtlandsfjäll führt neben den klassischen STF-Hütten auch zu drei größeren Fjällstationen. Und in diesen können wir Verpflegung nachkaufen und uns in der Sauna waschen. – Eine richtige Luxustour (...denken wir zumindest).
Der Weg nach Gåsen führt erstmal 15 km lang fast nur geradeaus. Erst folgen wir dem Fluss, den wir zweimal queren, dann geht es langsam und stetig bergauf. Schon früh erreichen wir die kleine Pausenhütte, welche nach Dreivierteln der Strecke auf uns wartet. Wir setzen uns draußen auf die Stufen, denn das Wetter ist zu schön um rein zu gehen. Mit bestem Ausblick essen wir unsere Riegel und trinken einen Becher heißen Tee.
Die Strecke dorthin war wirklich sehr schön. Wir sind durch eine sámische Siedlung gekommen und das leichte Auf und Ab der Strecke hat viel Spaß gemacht. Nur bei der zweiten Flussüberquerung war Vorsicht angesagt: Denn der Fluss war stellenweise schon offen und eine Handvoll rote Stäbe markierten den einzigen Streifen, der noch befahrbar war. Nach der Mittagspause beginnen wir den 5 km langen Aufstieg zur Gåsen Hütte. Er geht sich überraschend gut. Um 16 Uhr erreichen wir schon die urige Hütte und machen es uns gemütlich.
Am nächsten Morgen stehen wir früh auf und packen unsere Sachen. Heute stehen 18 km nach Helags an. Schon beim Frühstück zweifeln wir etwas, ob wir aufbrechen sollten. Denn draußen heult der Wind mit 14 m/s und nimmt stetig zu. Die Sicht reicht keine 20 m weit. Aber wir probieren es trotzdem, denn wir wollen raus und die Abenteuerlust kribbelt in den Beinen. Nach 30 Minuten blindem Bergabrutschen auf blankem Eis drehen wir um. Der Wind legt weiter an Geschwindigkeit zu, die Sicht ist gleich Null und an Gehen ist nicht mehr zu denken. Wir kämpfen uns zurück zur Hütte und werden von den anderen Tourengehern in Empfang genommen. Nur ein Schwede erreicht an diesem Tag die Gåsen Hütte und bleibt auch direkt zwei Nächte. Gegen Mittag sind wir wirklich sehr, sehr froh umgedreht zu sein. Die Windböen erreichen 25 m/s und starker Schneefall setzt ein.
Wir legen einen Holzvorrat an und richten uns darauf ein einzuschneien. Am Abend ist es soweit. Fenster und Türen sind zugeschneit. Der Hüttenwart muss sich zu uns reinbuddeln. Zum Toilettenhaus zu gehen ist eine halbe Polarexpedition und ohne Schaufel geht es weder aus der Hütte raus noch in die Toilettenhütte hinein. Immer wieder muss der Hüttenwart die Gasabzüge freibuddeln. Gegen 17 Uhr kommt er rüber und sagt Bescheid, dass er nun in seine Hütte geht und nicht mehr rauskommt wegen dem Wetter. Für Montag ist weiterhin Schneesturm angesagt. Wir sitzen hier also alle fest. Aber das ist Abenteuer!
Am Montagmorgen sind wir komplett eingeschneit. Um aus der Hütte zu gelangen, müssen wir durchs Fenster rausklettern und uns mit der Lawinenschaufel einen gut anderthalb Meter tiefen Gang zur Haustür freischaufeln. Danach gehen wir Wasser holen. Ein Unterfangen, dass uns über eine Stunde kostet. Die Schneeverwehungen sind teilweise so hoch und nicht vorhersehbar, dass wir immer wieder bis zum Bauch versinken. Wir kämpfen uns mit dem Schlitten und zwei großen Wasserkanistern und Schaufeln zum Wasserloch durch. Es lässt sich recht gut freischaufeln und wir ziehen einige Eimer Wasser aus dem tiefen Eisloch hoch. Mit den vollen Kanistern im Schlitten stapfen wir wieder zurück zur Hütte. Unterwegs versinken wir ab und an in den Schneeverwehungen und verlieren unsere Balance. Aber mit einem warmen Ofen vor Augen macht das sogar Spaß. Auf jeden Fall sind wir ordentlich am Lachen über unseren Kampf vorwärtszukommen.
Die unfreiwillige Freizeit in der Hütte nutzen wir zum Lesen und um die Fjällkarte minutiös zu studieren. Durch die verlorenen zwei Tage fehlt uns die Zeit, um die ursprünglich geplante Strecke zu laufen. Also beschließen wir den ursprünglich geplanten Schlenker über die Grenze nach Norwegen auszulassen und direkt von Gåsen nach Sylarna zu laufen. Auch ist für den Rest der Woche kaum besseres Wetter angesagt.
Am nächsten Morgen wachen wir bei schwächerem Wind auf. Der Schneefall hat nachgelassen und stattdessen strahlt die Sonne am Himmel. Die Landschaft sieht völlig neu aus. Wir buddeln uns nach dem Frühstück aus der Hütte und machen uns auf den Weg.
Erst geht es bergab, 5 km den Weg zurück zur Gåsen Schutzhütte, dann biegen wir links ab und überqueren einen großen Fluss. Anschließend beginnt der langsame und gemächliche Aufstieg nach Sylarna. Das Wetter wird immer besser und die Kilometer verfliegen geradezu. Oben auf dem Kamm sehen wir frische Fußspuren im Schnee. Es sind die Abdrücke eines Vielfraßes. Das schüchterne, für die Gegend typische Tier muss nur kurze Zeit vor uns hier lang gekommen sein. Gespannt schauen wir uns um, ob wir es noch in der Ferne erspähen können. Leider nein. Aber da wir eh schon angehalten haben, machen wir eine kurze Teepause, bevor es nun recht gerade um das Sylarna-Massiv herumgeht.
Die Sylarna-Hütte können wir schon von Weitem im Schatten des 1700 m hohen Toppen erkennen. Die letzten 2 km geht es noch einmal steil hoch, aber die Spur ist leicht zu folgen. Die Hütte ist bei Tourenskigehern sehr beliebt und einige bleiben gleich eine ganze Woche hier, um auf die umliegenden Gipfel des Sylarna-Massivs zu steigen und durch den Tiefschnee abzufahren.
Auf Sylarna genießen wir ein warmes Essen und teilen uns einen Schlafsaal mit drei schwedischen Ski-Guides. Der Ausblick von der Hütte ist prächtig, aber morgen wartet Blåhammaren auf uns. Schwedens höchstgelegene Fjällstation, die für ihren Weitblick und ihre Küche bekannt ist.
Doch auch in dieser Nacht setzt der Schneesturm wieder ein. Sogar die Stromleitungen der großen Sylarna-Hütte und die damit verbundene Wasserpumpe brechen zusammen. Aber Blåhammaren wollen wir nicht verpassen und für die nächsten beiden Tage sind noch stärkere Windgeschwindigkeiten angesagt. Abwarten macht keinen Sinn. Also machen wir uns dick eingepackt trotzdem auf den Weg.
Der Schneefall ist anfangs nicht zu stark und wir können wenigstens die roten Markierungen noch gut erkennen. Wir stapfen den vereisten Hang hoch. Nach der Hälfte des Aufstieges setzt der Schneefall wieder stärker ein und die Eiskristalle peitschen im Sturm schmerzhaft auf unsere Gesichter ein. Als nach der Hälfte des Weges eine Schützhütte auftaucht, machen wir dankbar Pause und trinken unseren heißen Tee. Mehr als diese Pause ist heute nicht drin. Nach 20 Minuten sind wir wieder warm. Auch wissen wir, dass mit jeder Minute der Schneefall zunimmt. Die letzten 8 km geht es steil bergauf und wir legen sie in Rekordzeit zurück. Als wir in Blåhammaren ankommen, ist es gerade rechtzeitig. Beim Öffnen der Hüttentür reißt uns der Wind die Tür schwungvoll aus der Hand und um sie zu schließen müssen wir uns mit unseren ganzen Körpergewicht dranhängen.
Die berühmte Weitsicht von Blåhammaren aus haben wir an diesem Abend nicht. Dafür genießen wir eine heiße Sauna und anschließend, frisch gewaschen, das leckere Abendessen. Außer uns sind nur wenige andere Skifahrer da und so sitzen wir abends an nur drei kleinen Tischen beisammen und verdrücken glücklich traditionelle schwedische Küche. Es gibt Fisch und Kartoffeln, eingelegtes Gemüse und Käse und zum Abschluss Schokokuchen mit Beeren. Mmmh ein Festmahl zum (fast) Abschluss einer abenteuerlichen Tour!
Am nächsten Morgen müssen wir noch den Abstieg zurück nach Storulvån meistern. Der Sturm bläst uns fast von den Skiern, aber immerhin geht es die ersten 5 km komplett bergab. Dann genießen wir glücklicherweise Rückenwind und können uns mit ausgestreckten Armen geradewegs ins Tal pusten lassen. Zwar zittern uns anschließend vom starken Gegenlenken die Knie, dafür können wir den Rest des Tages windgeschützter zwischen den Bäumen zurück zu unserem Ausgangspunkt laufen.